Eisfahrt
Infos zum Blog
Zeit: 27.8.2018, 28.8.2018
Koordinaten: 72.08 Nord, 154.73 Ost
Ort: In der Ostsibirischen See
Die Neusibirischen Inseln
Nach unserem Abstecher ans Festland geht es nun wieder auf See. Zuerst wollen wir die Neusibirischen Inseln besuchen und entscheiden uns wegen der Eislage nicht die De Long Inseln im Norden sondern die kleine Insel Stolbovoy im Süden des Archipels zu besuchen. Hier auf 74 Grad Nord gibt es schon wieder deutlich mehr Vegetation.
Das auf dem Bild erkennbare Treibholz gibt es in der ganzen Arktis in großen Mengen. Das Holz stammt meist aus den drei großen sibirischen Flüssen Ob, Jenisseij und Lena, wo das Holz entweder von selbst oder als Schwund der Holzflößerei ins Wasser gerät. Für die Polarfahrer der letzten Jahrhunderte war dieses Holz Gold wert. Konnte man doch damit kochen und heizen. Auf Stolbovoy konnte man sibirische Tundra mit flacher arktischer Vegetation von Gräsern, Flechten, Moosen, Blumen und bis zu 5 cm großen Bäumen sehen. Und natürlich verrostete Ölfässer, obwohl hier nie eine Station war. Unser Expeditionsleiter meinte, die Russen hätten auch einfach so Treibstoffdepots in der Arktis verteilt.
Zwei Tage auf See nach Medvezkhi
Nachdem die Anlandung in Solbovoy wegen Seegang und Nebel vorzeitig abgebrochen wurde, machten wir uns auf den Weg nach Medvezkhi. Zwei Tage auf See, obwohl es eigentlich nur 560 Seemeilen sind.
Der Kapitän klärt uns auf, dass wir nun einige Eisfelder vor uns haben, die wir nicht umfahren können. So geht es erstmals richtig ins Eis. Das bedeutet: Runter vom Gas. Statt 15 Knoten fahren wir jetzt nur noch 2-5 Knoten und das in Kurven wie Walter Röhrl in seinen besten Zeiten.
Das ist schon ein Erlebnis. Es rumpelt und kracht ganz gewaltig. Das Schiff hüpft und ruckelt wie eine Achterbahn. An einer wirklich großen Eisscholle lernen wir, dass man auch 8000 Tonnen schlagartig zum Stop bringen kann. Langsam schiebt das Schiff dann die Scholle zur Seite, oder sie bricht und wird zerteilt. Manchmal geht auch das nicht, dann geht es halt wieder zurück und nochmal drauf oder man gibt klein bei und sucht sich einen anderen Weg um die Schollen herum. Von der Brücke und vom Vorschiff direkt am Bug aus beobachtet ist das ein echtes Schauspiel.
Hier auf 72 Grad Nord geht um diese Jahreszeit die Sonne schon wieder ein paar Stunden unter, was zu herrlichen Sonnenuntergängen führt.
Die Bremen ist ein Schiff der Eisklasse 4. Das ist kein Eisbrecher aber die höchste Eisklasse für Nicht-Eisbrecher. Sie kann Eisschollen und Packeis brechen, zerteilen, Eiskollisionen vertragen und sich einen Weg durch Packeis mit bis zu 90% Bedeckung der Meeresoberfläche bahnen. Die tatsächliche Grenze wird von vielen Faktoren bestimmt: Dicke, Alter und Härte des Eises. Richtige Eisbrecher können übrigens Eis bis 2m Dicke durchfahren, weil sie das Eis durch ihr Gewicht brechen, wenn der schräge Bug auf das Eis auffährt. Die Atomeisbrecher machen das dann mit 10-15 Knoten…..
Das wäre etwa die Dicke, zu der Eis in der See wirklich gefriert. Das heisst aber nicht, dass die Stahlkolosse überall druchkommen. Durch Eisdrift und die gewaltige Kräfte des Windes wird das Packeis zusammen und aufeinander geschoben, so dass zerklüftete Packeisfelder mit bis zu 15m Höhe enstehen können. Über dieses Gelände haben sich am Anfang des letzten Jahrhunderts eine ganze Reihe von Expeditionen mit Schlitten und Hunden gequält und dabei auch noch manchmal mehrere Male im arktischen Winter bei bis zu Minus 50 Grad überwintert. Da haben wir’s aber schön, hier an Bord ….
Dieses Eis wäre eigentlich für Eisbären nutzbar. Es ist dick genug und auch trocken, so dass man in Ruhe darauf rumhängen kann. Leider nicht in unserer Nähe. Unsere Eisbärenwächter verbringen den ganzen Tag auf der Brücke und halten Ausschau: Ohne Erfolg.
Eisbären treffen wir keine, dafür aber Eisbrecher. Gestern schon gab es ein Rendezvous mit dem Atomeisbrecher Waigatsch, einem Schwesterschiff der Tajmir. Als Flusseisbrecher mit ca 9m Tiefgang hält sie den Jenisseij frei und begleitet in den flachen Gewässern der ostsibirischen See – wir haben hier nur ca 15 m Wassertiefe – Tanker und Frachter oder jeden der dafür bezahlt.
Heute wieder keine Eisbären, aber noch einen Eisbrecher. Die Krasin, stationiert in Wladiwostok, wartet auch auf Kundschaft. Wir brauchen sie erfreulicherweise nicht, weil unser Käptn und seine Kollegen die Bremen locker durch’s Eis manövrieren. Die Eisbrecher sind alles zivile Schiffe, die man einfach mieten kann. Würden wir einen brauchen müssten wir wohl einen 5-stelligen Betrag dafür auf den Tisch legen. Die Russen bieten schon länger auch Nordpoltouren mit ihren großen Atomeisbrechern an, bei denen man als Tourist mitfahren kann. Kostet so ca. 25000 Euro hin- und zurück.
Wir haben nun noch einige Eisfelder vor uns, bevor wir morgen vor der Insel Medvezkhy vor Anker gehen werden. Das ist zumindest der Plan. Aber das Eis hat hier immer wieder Überraschungen auf Lager.
Magnus